Happy Birthday, liebe Nachhaltigkeit! 300 Jahre schon…
300! Die Nachhaltigkeit wird in diesem Jahr 300 (in Worten: D-R-E-I-H-U-N-D-E-R-T Jahre alt)…und ist immer noch taufrisch, die Gute!
Rein geschichtlich verdanken wir den Begriff nämlich der schnöden Forstwirtschaft:
„Schlage nur so viel Holz ein, wie der Wald verkraften kann! So viel Holz, wie nachwachsen kann!“
Forderte Hans Carl von Carlowitz, seines Zeichens Oberberghauptmann am kursächsischen Hof in Freiberg, 1713 in seinem Prachtwerk „Sylvicultura Ökonomica“. und legte damit den Grundstein für nachhaltige Entwicklung. Frei übersetzt könnte man sagen: Verbrauch muss verdammt nochmal zur Produktion passen! Nachhaltigkeit feiert dieses Jahr also sogar offiziell 300.Geburtstag.
300 Jahre Nachhaltigkeit – und nix gelernt?
Mal ehrlich: Seit 300 Jahren gibt es die Nachhaltigkeit schon und dazugelernt haben wir bis heute nicht? Aber wir haben von der Evolution ja ein Gehirn zum Denken bekommen. Das immer mehr Menschen GOTT SEI DANK endlich nutzen! Sozusagen ein positiver Teufelskreis: Immer mehr Deutsche legen Wert auf einen verantwortungsbewussten Lebensstil. Die Industrie reagiert auf den Verbraucherwunsch und packt verstärkt Bio und Fairtrade auf ihre Kleiderbügel. Aber bitte mit Lifestyle-Faktor. Den Öko-Fashion-Strickpullis von heute sieht man das biologisch gehaltene Schaf nicht mehr an. Eine nachhaltige Entwicklung, die auch noch gut aussieht.
Jedesmal wenn wieder einmal aufgedeckt wird, dass in den Textilfabriken in der dritten Welt, Menschen wie Sklaven gehalten werden, ist das Entsetzen groß. Wie der Fall in Bangladesh Anfang des Jahres zeigte. Große Moderiesen haben anschließend zum ersten Mal ein Agreement unterzeichnet, mittels dessen sie sich gesetzlich dazu verpflichten auf bessere Bedingungen in Bangladesh zu achten. Die Mode- und Designszene wacht langsam auf, Nachhaltigkeit ist ein Trend, der sich in Deutschland langsam ausbreitet. Eine Studie der Fachzeitschrift Textilwirtschaft hat zum Beispiel ergeben, dass mittlerweile 43 Prozent der Deutschen bereit sind, mehr Geld für nachhaltig produzierte Mode auszugeben.
„Mode wurde dafür gemacht, um aus der Mode zu kommen“
…sagte die Grande Dame der Modewelt, Coco Chanel!
Fatal! Wenn man es genau nimmt, weil frei übersetzt heißt das: Fashion-Fans brauchen immer neue Stoffetzen und Kleiderschränke weltweit müssen ständig neu gefüllt werden. Nachhaltigkeit sieht anders aus. Schön für die Kleiderindustrie, schlecht für die Umwelt und die Arbeiter im Textilmoloch der Dritten Welt! Und: JA, liebe Coco, jeder, der Mode liebt, wird manchmal schwach bei den hübschen Trendteilen der Moderiesen. Ich meine, das ist für mich, wie für ein Kind in einem Süßigkeiten-Laden! Nur: selbstlos ist das alles nicht! Aber Gott sei Dank gibt es eine Gegenbewegung. Öko-Mode – oder wie wir im Modefach-Jargon zu sagen pflegen: „Conscious Fashion“ ist nicht länger Grau in Grau. Wir müssen nicht mehr in Jutesack und Asche gehen, nur weil wir uns biologisch und fair kleiden wollen. Neiiiin! Eine neue Nachhaltigkeit macht sich breit in der Mode- und Designszene! Der Begriff boomt im Internet. Webseiten schmücken sich damit, Firmen betreiben das so genannte „Green Washing“, werben also mit Bio, Öko oder Fairtrade um sich selbst in ein besseres Licht zu rücken und den Konsum ihrer Waren mit einem guten Gewissen zu verbinden.
ACHTUNG! Nicht immer stimmt das Ganze und manchmal wird auch nur das Logo grün gestrichen. Nicht überall, wo Nachhaltigkeit drauf steht, ist auch Nachhaltigkeit drin. Trotzdem – es geht voran! Definitionen sprießen schneller aus dem Boden, als Biobaumwolle, Fairtradehölzer und Öko-Seide zusammen.
Wikipedia sagt zum Beispiel:
„Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung, bei dem die Bewahrung der wesentlichen Eigenschaften, der Stabilität und der natürlichen Regenerationsfähigkeit des jeweiligen Systems im Vordergrund steht.“
Jaaaa! Schauen wir mal zum Lieblings-Standard-Nachschlagewerk der Deutschen – dem Duden.
„Nachhaltigkeit, (gesprochen: Komma) die… Prinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren, künftig wieder bereitgestellt werden kann“
Persönlich würde ich sagen: Nachhaltig ist alles, was fair, sozial, biologisch, ökologisch korrekt oder regional produziert wurde. Umso mehr davon zutrifft, umso nachhaltiger ist das Ganze dann auch.
Wenn es dann auch noch styisch und edel ist, umso besser. Dann kommen auch die Design-Fans, die Lifestyle-Ökos, wie ich auf ihre Kosten. Dank Labels wie „Armed Angels“ oder „FTC (=Fair Trade Cashmere“) oder dem von Isabell de Hillerin und anderen jungen Modedesignerinnen und Designern mit ein bisschen Herz für die Menschen und unsere Erde! Ein paar will ich in Zukunft auch auf dem kleinen Blog hier versammeln, damit ihr Fashionistas da draußen, ihr Modehippster und Designfreaks nicht nur schön, sondern auch herzensgut konsumieren könnt.
Das Ökologische in der Mode ist nämlich ein Stück weit unsichtbar geworden. Vorreiter ist die hippe deutsche Modemetropole Berlin. Es gibt eine Sehnsucht nach mehr Fairness und Gerechtigkeit, sagte mir die Berliner Modedesignerin Isabell de Hillerin am Rand der Paris Fashion Week.
Isabelle de Hillerin: „Es wächst total und in Deutschland ist es ganz ganz präsent, viel präsenter als im Ausland. Ich glaube es sind einfach Werte und schöne Dinge machen kann man immer, aber man sollte es auch mit gutem Gewissen tun, ich glaube das ist das Wichtigste daran.“
Sie selbst ist so nachhaltig unterwegs, wie es für sie als individuelle Modedesignerin, möglich ist. Ihre Kleider lässt sie in Rumänien nähen, nach alter Tradition. Da geht es um faire Löhne und um die Bewahrung der rumänischen Handwerkstradition – quasi lokale Nachhaltigkeit. Die rumänische Jugend sehnt sich mehr nach Discofeeling als nach handgestickten Deckchen. Mal ganz abgesehen davon, dass sich mit dem alten Handwerk nunmal nicht so gut verdienen lässt, wie mit einem gut bestückten Aktienportfolio.
Isabelle de Hillerin: „Das Leben ist da ziemlich hart und mit etwas, was sie sowieso schon lieben, dann damit Geld zu verdienen ist eine Riesenhilfe. Die Frauen sind wahnsinnig dankbar und ganz interessiert, wie es läuft. Und jetzt hier auch in Paris: „Ganz viel Glück und wir freuen uns!“ …und die Tatsache, dass deren, ich sag mal, Geschichte, die sie mit dem Handwerk verbinden – das erzählt ja auch die Geschichte des Landes – dass das dann plötzlich in Hongkong verkauft wird oder sonstwo, das ist der Wahnsinn für sie, das finden sie super!“
Isabell de Hillerin ist nicht das einzige junge Label mit Hang zu Fairtrade und Traditionbewusstsein. Von Slow-Fashion ist die Rede. Wie Slow-Food, nur eben Textilfaser statt Küchenkräuter. Unter dem Begriff versammeln sich Textilien aus Bio-Baumwolle, Fashion aus Recycling-Material, Produkte von kleinen Edel-Labels, die regional produzieren oder so klassisch-elegant sind, dass sie nicht aus der Mode kommen. Das Prinzip der jungen Modedesignerin Malaika Raiss.
Malaika Raiss: „Ich bin auch jemand, der gerne mal an den Kleiderschrank der Großmutter geht und etwas aufträgt oder bei meiner Mutter und so möchte ich auch, dass die Kleidung von uns gesehen wird. Dass man einfach nicht sagt, ich habe es jetzt für eine Saison gekauft und es ist der Supertrend und danach hängt es im Schrank oder man wirft es weg. Ich möchte einfach, dass man sich lange freuen kann.“
Noch haben es die kleinen Öko-Bio-Fairtrade Labels auf dem Massenmarkt schwer. Nachhaltigkeit ist immer noch ein schwieriger Stoff. Das Bewusstsein für Qualität, muss sich erst wieder in den Köpfen der Verbraucher festsetzen, dann wird sich vielleicht etwas ändern. Und wir können vielleicht in Zukunft Biobaumwolle auf allen Laufstegen bewundern. Models trippeln dann in edlen Stickereien aus rumänischer Handwerkskunst oder geschneiderter Öko-Seide und Strickpullovern von glücklichen Schafen über den Catwalk und wir hoffentlich bald auch durch die Straßen. Ein bisschen utopisch vielleicht, aber hey: Wäre doch schön!
Alles Liebe, Eure Petra