In der Redaktion ging es heute um die Games-Konvention. Das hat mich zu einer kleinen Recherche veranlasst, wie es eigentlich um die Frauenquote im Gaming-Bereich bestellt ist. Und das Ergebnis ist eindeutig: Irgendwie eine Männerdomäne, von Anfang an gewesen und deswegen in Ästhetik, Ansprechhaltung und Frauenbild eine männerdominierte Szene.

Frauen & Computerspiele = Frauen und Pornoindustrie?

Das wird sich vermutlich auch bei der Gamescom 2012 zeigen, die heute startet. Die Durchschnitts-Frau im Spiele-sektor schrammt in den meisten Fällen haarscharf am Ideal von 90-60-90 vorbei – Schuld daran, dass sie das Ideal nicht ganz erreicht, sind in aller Regel die überdimensionierten Brüste, die die amazonenhaften Heldinnen vor sich herschieben, während sie die Welt retten. Im Durchschnitt dürften die Ladies in der Computerwelt eher auf die Maße 120-60-90 kommen. Gut, es gibt auch noch die zarten Geschöpfe, die schützenswerten hilflosen Dinger, die als schmückendes Beiwerk neben dem archaischen Helden stehen und mit großen Augen in die Welt blicken. Auch die werden auf der Gamescom virtuell herumgeistern. Das Jungfrau-in-Not-Syndrom wäre ein weiteres weibliches Klischee, das die Pixelwelt zu bieten hat.

Computerspiel-Heldin-typisch
Lara Croft lässt grüßen…

Das Kompetenzfeld weiblicher Figuren in vielen Computerspielen ist – nennen wir es mal dezent – eingeschränkt: sie müssen 1. schreien oder weinen können, 2. einen eng anliegenden Gummianzug oder einen Bikini tragen, 3. wehrlos und naiv sein oder  4. ab und an dürfen sie auch als rattenscharfe Kampfamazone mit großen Brüsten durch die Gegend rennen. Letztere wurde als Modell Ende der 90er entwickelt. Da bedeutete Emanzipation in der Welt der Computerspiele nicht, dass man eine wahre Ikone der Weiblichkeit schuf, Nö! Die emanzipierte Frau im Computerspiel war für die Entwickler ganz klar der Typus „Kampfamazone“: Selbstbewusst, toptrainiert, knapp bekleidet!

Ein bisschen erinnert das alles an die gute alte Barbie, die – wie Forscher herausfanden – im echten Leben weder stehen, noch gehen, noch sitzen könnte, geschweige denn überhaupt überleben. Weil das Taille-Hüft-Verhältnis von ihren männlichen Erfindern so absurd knapp bemessen wurde, dass sie vermutlich sofort einen Bandscheibenvorfall und Atemprobleme bekäme. Trotzdem ist Barbie bis heute das Idealbild vieler kleiner Mädchen, die mit diesem verqueren Sinnbild weiblicher Ästhetik groß werden. Wohlgemerkt – von Männern gemachte Ästhetik. Genau wie bei den Computerspielen!

Zahlen beweisen es: Immer noch sind die meisten Spieleentwickler Männer,  die sich Pixelamazonen erschaffen wie die vermutlich berühmteste Computeramazone Lara Croft, deren Taillen-Oberweiten-Verhältnis mehr als zweifelhaft ist. Vorbild für Lara Croft waren die Comic-Heldin Tank-Girl und Sängerin Nene Cherry – optisch ist Lara Croft also eine Mischung aus beiden mit anschließendem Besuch beim Schönheitschirurgen – Brust-OP inklusive. Cate Archer – auch so ein Beispiel – Eine James Bond-Persiflage mit weiblicher Hauptrolle. Agentin Archer setzt sich natürlich im hautengen Catsuit mit tiefem Ausschnitt gegen den Bösewicht durch und kann ebenfalls mit dicken Brüsten und großen Katzenaugen aufwarten. Ach und als Gimmick hat sie natürlich nicht nur eine Waffe und ihren scharfen Verstand, sondern auch ein Puderfläschchen mit dem sie die getöteten Bösewichte auflösen kann. Dann gibt es noch Heldinnen wie Zelda, ein zartes elfenhaftes Geschöpf, das mit riesigen Augen und Prinzesschenlook an den Beschützerinstinkt des Computerspiel-Liebhabers appelliert.

Dabei war die allererste Frau im Gaming-Sektor alles andere als ein weibliches Idealbild. Miss Packman – ein runder gelber Ball mit rotem Kussmund – 1981 als inoffizielle weibliche Nachfolgerin von einem der ersten Kult-PC-Spiele Packman, der ebenfalls eine gelbe runde Kugel war. Von dieser virtuellen Gleichberechtigung der frühen Computercharaktere ist heute leider nicht mehr viel übrig. 85 Prozent der Computerspielcharaktere sind Männer, die restlichen 15 Prozent Weiblichkeit entspricht zum Großteil zweifelhaften Rollenklischees. Noch! Immer mehr Frauen haben den Berufswunsch „Spieleentwicklerin“ und drängen mit neuen Konzepten auf den Markt. E-N-D-L-I-C-H! Die Handlungen seien anspruchsvoller, die Charaktere weniger eindimensional, heißt es in der Szene. Es gibt sie also langsam – selbstbewusste weibliche Computerspiel-Charaktere mit Humor und Menschlichkeit. Und das ist wichtig! Computerspiele sind fast schon Mainstream-Unterhaltungstechnik – für Männer und für Frauen. In Großbritannien zum Beispiel, hat eine Studie kürzlich ergeben, sind 49 Prozent der Computerspieler weiblich. Die Videospielindustrie scheffelt Milliarden jedes Jahr. Computerspiele sind Kulturgut, sie sind ein Massenmedium für Jugendliche und prägen damit auch die Rollenbilder in den Köpfen der Teenager. Immer mehr Menschen tauchen ein in die Computerwelten. Sie beeinflussen unsere Alltagskultur und unsere Gesellschaft.

Dank der Kinofilme beispielsweise dürfte fast jeder Lara Croft kennen, ohne ihr je in einem Computerspiel begegnet zu sein. Umso wichtiger ist es genauso wie in den Medien, auch bei Computerspielen einen Diskurs loszutreten. Weg von den überzogenen Kampfamazonen mit Schlauchbootlippen und Megabrüsten, hin zu einem anderen Frauenbild! Dafür kämpft zum Beispiel die Kommunikationswissenschaftlerin Anita Sarkeesian, die selber gerne Computerspiele spielt. Sie hat eine Plattform im Internet gegründet, auf der sie das Frauenbild in Computerspielen analysiert und grundsätzlich fünf verschiedene Typen herausgearbeitet hat. Die will sie filmisch darstellen in Kurzfilmen, um auf die zweifelhaften Rollenklischees aufmerksam zu machen. Die Frau im Videospiel – Vom Sexy Sidekick bis zur Kampfamazone mit viel freier Haut. „Tropes versus Women“ heißt das Projekt – für das die Kommunikationswissenschaftlerin heftigst angegriffen wird im Web. Der sogenannte Shitstorm wütet über ihr und reicht von sexistischen Beschimpfungen bis zu Gewaltandrohungen.  Die Anfeindungen gegen sie und ihr Projekt sind so massiv, dass die Forscherin von einem gezielten Angriff diverser Gaming-Foren ausgeht. Ein Projekt, das den Feminismus in die Computerspiele tragen will, kommt der gewinnträchtigen und männerdominierten Branche vermutlich nicht gerade Recht. Dabei ist die Debatte, die Anita Sarkeesian anstoßen will wichtig für die Welt der Pixel. Wie sollen weibliche Rollenvorbilder aussehen in der Gamingwelt? Mit welchem Frauenbild sollen männliche und weibliche Jugendliche groß werden? Diese Fragen müssen gestellt werden, um dem boomenden Medium Computerspiel gerecht zu werden. Mehr Konkurrenz für Lara, Zelda und Cate! Damit die noch männlich dominierte Szene mit schrägen Rollenbildern, raus kommt aus der Schmuddelecke und die Durchschnittsfrau im Spielesektor in Zukunft mehr ist als ein sexualisiertes Klischee und optisch absurdes Idealmaß der Werbeindustrie. Also, liebe Spieleentwickler – macht doch mal was anderes! Frauen mit Format und Vorbildcharakter – gepixelt und designt! Spiele, die den Kids beibringen auf die Umwelt zu achten, nachhaltiger zu denken, statt in Muskelbepackten Helden-Alter-Geos andere niederzuballern und bessere Vorbilder für die Jungs und Mädchen darstellen, als das billige Zeug, das es bis jetzt zum Großteil auf dem Markt gibt.

Alles Liebe,

Eure wütende Petra

 

2 Meinungen zu “Gamescom! Pixelemanzipation vergeblich gesucht?

  1. Alfons sagt:

    Keine Ahnung worüber sich hier beschwert wird. Die Rolle des schreienden Weibchens ist in den Videospielen schon lange verschwunden. Statt dessen haben Kampfamazonen das Feld übernommen. Nur zu info: in den meisten Sci-fi Shooter, haben die Männer die gleichen Anzüge an, hauteng und körperbetont. Und die Frauen werden so drastisch emanzipiert und kämpferisch gezeigt wie seit Ripley in Alien nicht mehr. Also worüber beschwert Frau sich denn? Etwa über die überzogene Oberweite der Figuren? Angst vor Vergleichen?
    Das die Männer in Romantikkomödien auch immer schlank,gutaussehend und oft auch durchtrainiert sind ist also nur Zufall? Und dass niemals ein pummeliger, glatzköpfiger um die schöne Frau buhlt?

    Hauptsach was zum mecken haben. Es zeigt nur das Frauen wohl nie zufrieden sind mit ihrem Selbstbild, egal ob im Spiegel oder in den Medien.

    • Holly sagt:

      hmmmm… ich würde da widersprechen (wer hätte es gedacht *zwinker*) – Du hast Recht: es tut sich was in der Gaming-Branche, aber (jetzt kommt es, das unwiderbringliche GROSSE ABER) es gibt immer noch sehr viele Spiele, in denen weibliche Stereotypen im Pixelformat präsentiert werden. Und Du schreibst es ja auch: die Kampfamazonen haben (auch – verzeih mir die kleine Ergänzung) das Feld übernommen, und wie sehen die aus, diese Kampfamazonen? Barbiepuppen mit Megabrüsten! Was ist das denn für ein Frauenbild? Mal ganz abgesehen davon, dass es die kleinen Weibchen an der Seite des Testosteronbombers natürlich noch in vielen Spielen gibt und dass die Gaming-Branche natürlich noch von männlichen Entwicklern dominiert wird, die für kleine Jungs und solche, die es immer bleiben wollen, programmieren und genau diese Monumentalbrüstigen Amazonen zurechtbasteln.

      Und – entschuldige wenn ich an dieser Stelle mal ganz kurz laut lachen muss – Männer in Romantikkomödien sind nicht immer schlank und gutaussehend… Was ist denn mit „Schwer verliebt“? Oder diesen ganzen Filmen in denen alte Knacker mit jungen Mädchen in Paarposition gebracht werden? Oder Schauspieler wie Jason Segel (nicht hässlich, aber garantiert nicht durchtrainiert und atemberaubend scharf), die natürlich die männliche Hauptrolle spielen. Ich finde das gut, es muss nicht immer Muskelpaket sein, aber Frauen sollten das doch jenseits von Bridget Jones auch mal dürfen, oder?

      Das Selbstbild, das Frauen präsentiert wird, prägt natürlich auch die weibliche Gesellschaft. Ist mit Männern auch nicht anders – seit GQ und Co den extremen männlichen Körperkult prägen, gibt es auch immer mehr magersüchtige Jungs (so schwarz-weiß formuliere ich ungern, aber Du weißt, was ich damit sagen will, denke ich).. Wie immer, alles Liebe! Deine Holly

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