Maria a la Strumbel
Maria a la Strumbel

Stefan Strumbel, junger Künstler aus Offenburg, belebt seit ein paar Jahren nicht nur die Schwarzwälder Kuckucksuhr, sondern auch das Heimatgefühl – mit schrillen Installationen und martialisch inszenierten Schwarzwaldmädchen. Da huscht schon mal das Eichhörnchen mit der Handgranate zwischen den Pfoten durchs Bild. Sein Markenzeichen ist die Schwarzwälder Kuckucksuhr in Pop-Art-Interpretation. Die ist bis nach Paris zu Karl Lagerfeld durchgedrungen, einer seiner vielen Fans weltweit. Strumbels Heimatvorstellung, die „Holy Heimat“, zeigt er ab dem 28.7. 2012 im Karlsruher Museum beim Markt. Ich habe ihn im Museum beim installieren der Installationen gestört – vor der großen Ausstellungseröffnung – zwischen Spraydose und Kuckucksuhr. Die haben er und seine Mitarbeiter unter höchster Konzentration in die Ausstellungsräume geschleppt. Alles traditionelle Kuckucksuhren, alles Einzelanfertigungen und schön nach alter Handwerkstradition geschnitzt, gehobelt und zusammengesetzt. Das ist doch fast schon nachhaltige Kunst, würde ich sagen. Aber egal wie, ich liebe seine Werke! Und hätte selbst gerne so ein poppiges Exemplar zu Hause hängen. Aber zurück zu Strumbel und meinem kleinen Besuch beim Aufbau. Die Ausstellung liegt kurz vor der Eröffnung noch in den letzten Zügen. Plastik liegt auf dem schwarzen Teppich, die Kuckucksuhren stapeln sich und hängen noch nicht alle. Strumbels Team sprayt, bohrt, und hämmert, um die Räume des Museums komplett umzukrempeln. Während der Künstler ständig von Raum zu Raum läuft und jedes kleine Detail überprüft. Die Arme sind bunt tätowiert, am linken Ellbogen schaut mir ein Schwarzwaldmädel mit Bollenhut entgegen. Gekleidet ist er – konträr zu seiner Kunst – dezent in schwarz und Khaki – nur die Socken blitzen neonfarben unter der Hose. Bei Stefan Strumbel trifft Rebell auf Heimatidyll. Vor einigen Jahren hat er als illegaler Sprayer Züge der Deutschen Bahn zu seiner Leinwand erkoren, heute inszeniert er öffentliche Räume – per Auftrag und legal.

Holy Heimat-Hafen
Holy Heimat-Hafen

Mit der Ironisierung klassischer Heimatmotive und mit spektakulären Aktionen. Gerade hat er das Badische Landesmuseum anlässlich der Ausstellung 900 Jahre Baden mit einer knapp 18 Meter hohen Kuckucksuhr verpackt. Die gigantische pinkfarbene Uhr mit Mega-Kussmund ziert den Eingang des Museums.  Wer in die Ausstellung will, muss die Rolling-Stones-Logo-Lippen durchqueren. Mit einer dieser Aktionen hat Stefan Strumbel auch seinen fulminanten Einstieg in die Kunstszene gefeiert. Eine Kirche neu inszeniert in Bonbonbunten Farben,  frei nach dem Motto: Warum sakral-dezent-bescheiden in gedeckten Farben und mit Spitzendeckchen – wenns auch schrill laut und bunt geht! Er hat den Innenraum der Goldscheurer Kirche bei Kehl in Pop-Art-Look verpackt. Das Schwarzwaldmädel schaut den Betrachter freundlich-naiv an – so weit entspricht es dem Heimatklischee – ist aber als moderne Madonna mit Heiligenschein inszeniert –Maria mit  dem Jesukind und Trachtenkappe! Heimat plus Romanik, Gotik, Biedermeyer und Pop-Art. Strumbel holt die altmodischen Relikte und Symbole  aus der Mottenkiste, wischt mit der Spradose und seinen ironischen Interpretationen den Staub der Heimattümelei ab.

Bambi a la Strumbel
Bambi a la Strumbel

Jetzt also die „Holy Heimat“ im Museum beim Markt! Seine Vision von der „Holy Heimat“ ist ein neonbunter sakraler Raum mit schräg installierten Kirchenbänken und Altar – am Eingang erwartet den Besucher eine Kathedrale im Pop-Art-Format.. Er arbeitet mit der Farbsprühdose statt mit Ölfarben, mit Schablone statt Pinsel! Mir knallt beim Eintreten in den ersten Raum eine Farbexplosion entgegen, die weißen Räume des Museums sind nicht mehr wiederzuerkennen. Die eine Wand ist schwarz-grau-gestreift, die andere Pink – am Ende des Kirchenschiffs hängt ein bonbonrosa Kruzifix plakativ an der Wand – statt Jesus neonleuchtet das Wort „Heimat“ auf dem Kreuz. Rechts daneben steht eine alte Kommode – natürlich, schwarz-weiß gestreift, mit Pink und knallgelb! Daran ist ein weiteres kleines Kreuz befestigt und ragt in den Raum. Auf der Spitze steht  Jesus, in sportlicher Pose, wie ein Olympia-Springer am 10 Meter Turm. Natürlich auch schweinchenrosa. Nichts von dem was er macht ist dezent oder leise. Strumbel liebt den Stilbruch. Totenköpfe treffen auf den Bollenhut, Eichhörnchen auf Handgranaten. Ein nachgebauter Beichtstuhl ist von einem nackten Schwarzwaldmädel besetzt. „Heimathure“ heißt das Objekt. Er will aufrütteln, sagt er, während er mich durch die Ausstellung führt.Strumbels Kunst ist Heimat plus Romantik, Biedermeyer, Pop-Art und ein Hauch Jeff Koons. Seine Kuckucksuhren, sein Markenzeichen, hängen in knallpink oder dunkellila an der Museumswand – garniert mit Totenkopf oder Bambi-Gesicht. Den schwarzwälder Tannenzapfen ersetzt Strumbel durch eine Ratte, das Zifferblatt ist flankiert von erlegten Tieren.

Karl Lagerfeld und der Kuckuck
Karl Lagerfeld und der Kuckuck

So ein Exemplar hängt übrigens auch bei Modezar Karl Lagerfeld im Büro. Deutschlands berühmtester Couturier hat sich vor einem Jahr für das Magazin Stern mit einem der Kuckuck-Chronometer abgelichtet. „Lagerfeld mit Kuckucksuhr-Skulptur in seinem Studio in Paris. Ein Selbstporträt des Meisters“ …die bescheidene Bildunterschrift damals. Lagerfeld verglich Strumbels Kuckucksuhr mit einem „Blumenstrauß aus Nizza“ – Zitat: „Ein neuer Ausdruck von deutscher Kultur, das ist sehr stimulierend.“ Strumbels Bekanntheitsgrad schnellte in die Höhe dank Kaiser Karls Aufmerksamkeit, seine Werke landeten in Galerien von New York bis Tokio. Aber der Künstler aus Offenburg bleibt der Heimat trotz des neuen Cosmopoliten-Daseins treu, lebt in der Holy Heimat und inszeniert sie in Karlsruhe.

Strumbel ist ein Cartoonist der Straße, der sich das Motiv geschnappt hat, das heute jeder hinterfragt, in unserer dauerflexiblen Reisegesellschaft. Die Heimat! In Szene gesetzt als knallbunte Neon-Show. Mit seiner Spraydose wischt Stefan Strumbel den Staub der Heimattümelei ab und holt die altmodischen Symbole  aus der ewig gestrigen Mottenkiste.

 

Eure in Strumbel-Uhren verliebte Petra

Interview – eins zu eins – von Blogger-Angesicht zu Künstler-Angesicht – What the fuck is Heimat?

Strumbel-Portrait
Stefan Strumbel


Petra von Hollightly: Stefan, kannst Du für die Hollightly-Leser das große Entree beschreiben?

Stefan: „Man sieht im Kirchenschiff hinten drei Madonnen, einmal die klassische Madonna, aber sie trägt eine Tracht, den Bollenhut und links von ihr ist eine amerikanische Madonna, die ein farbiges Kind trägt, mit einer NY-Yankees Kappe und einer Macdonald-Tüte in der Hand und rechts davon eine Afrikanische Madonna. Da geht’s auch ein bisschen um die Werte, um die geographische Heimat“

Petra von Hollightly: Nicht auch ein bisschen um Provokation?

Stefan: „Also ich will nicht provozieren, ich will die Leute eher wachrütteln – deswegen auch dieses Kirchenschiff – für mich ist die Kirche relativ uninteressant, auch der Glaube. Für mich ist es diese Macht, was ein Kirchenschiff an sich, dieser Ort hat…(Überlegt) Ich verfremde Dinge so laut und oftmals vielleicht auch überzogen für manche Menschen, dass sie wach werden. Ich schicke sie quasi durch die Installation auf ihre eigene Heimreise.

Petra von Hollightly: Das machst Du ziemlich laut und schrill – warum die Bonbonbunte Pop-Art?

Stefan: Bei mir geht die Lautstärke oft über die Farben, ich benutze sehr viel Neonfarben, Neonlicht, weil ich denke manche Dinge brauchen mehr Lautstärke um sie wieder zu erkennen oder was neues zu entdecken. Wenn Sie eine normale Kuckucksuhr sehen, wenn sie ein normales Kruzifix sehen, wenn sie einen normalen Spiegel sehen, wenn sie eine normale Kirchenbank sehen, hätten sie keinen Grund sich auf ihre Heimreise zu begeben und sich damit auseinanderzusetzen und die Macht des Thema, das Gefühl von Heimat, das versuche ich diese Ausstellung den Leuten nahezubringen.

Petra von Hollightly: „What the Fuck“ ist Heimat für Dich?

Stefan: „Heimat ist für mich ein Gefühl, ja, der Geborgenheit, der Liebe, der Freude, des Glückes – atmet – und es ist für kein Geld der Welt zu kaufen und deswegen habe ich auch so viele Neoninstallation, die auch an Timesquare und Kommerz erinnern und die Lautstärke drin um die Leute wachzurütteln und deswegen stelle ich Heimat oftmals als die stärkste Droge der Welt dar.“

Petra von Hollightly: Die Droge hat mittlerweile einige Süchtige weltweit – es gibt viele Fans, Du stellst aus von Tokio bis New York und sogar Karl Lagerfeld hat sich vor einiger Zeit mit einer Deiner Uhren abgelichtet…

 Stefan: „Das war natürlich ein Ritterschlag – also wenn Karl Lagerfeld…ich meine Wenn Karl Dich dann – der zeigt sich selten mit Kunst von anderen und das war für mich ein tolles Gefühl und freue mich immer noch – in seinem Büro, da hing das gute Stück – war sehr gut für mich – ein Blumenstrauß aus Nizza – genau…da hat er ein bisschen drüber geredet.“

Petra von Hollightly: Strumbel ohne Heimat – unvorstellbar oder die Zukunft?

Stefan: „Also ich hoffe, dass es nie so sein wird und dass ich in meinem Restleben sehr viel Heimat empfinden darf und spüren darf und sehen darf und im Moment ist es so, dass ich das Thema so stark fühle, dass es für mich noch gar nicht in…also es kommt für mich gar nicht in Frage, ich lebe noch und dann gucken wir mal weiter.“

Petra von Hollightly: Ich danke Dir für Deine Zeit und bin schon gespannt auf das Endergebnis!

P.s.: Alle Bilder sind von der Webseite http://www.stefanstrumbel.com mit Erlaubnis des Künstlers – selbst Hand anlegen und Fotografieren war nicht erlaubt

P.p.s.: Hier ist ein Link – iGNANT durfte den Maestro bei der Arbeit mit einer Videokamera beobachten

 

3 Meinungen zu “Die Kuckucksuhr rockt! Strumbels „Holy Heimat“ in Karlsruhe

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